Friaul-Julisch Venetien
Friaul-Julisch Venetien – ein Revier für Entdecker
Römer, Kulinarik, Barcolana und ganz viel italienisches Flair gibt es in der Region ganz im Nordosten Italiens an der Grenze zu Slowenien zu entdecken. Für das SEGEL JOURNAL war Susanne Guidera in ihrem Lieblingsrevier unterwegs und stellt drei wunderschöne Törns vor
Nichts ist wie es scheint. Wenn dieser Spruch irgendwo Gültigkeit hat, dann sicher auch für die Küste von Friaul-Julisch Venetien, jener vom Segeltourismus kaum berührten Region zwischen Muggia und Triest im äußersten Nordosten Italiens an der Grenze zu Slowenien und Lignano Sabbiadoro, dem „goldenen Strand“, den manch einer aus selig im lauen und flachen Wasser plantschenden Kindertagen kennt. Aber halt! Schon sitzt man dem Irrtum auf, dass es in diesen Küstengewässern nichts zu entdecken gäbe und man diese Region quasi als reinen Absprungort für einen Törn in Kroatiens Inselwelt betrachten solle. Doch ein genauerer Blick lohnt. Im folgenden Artikel drei Törnvorschläge für ein Revier, das überraschend viel mehr zu bieten hat als es zunächst scheinen mag.
Friaul-Julisch Venetien ist doch kein Segelrevier…
Zahlen sind immer ein gutes Argument, um ein besseres Verständnis für Fakten zu schaffen. Tatsächlich gehört das kleine Friaul, wie man es hierzulande irrigerweise gern abgekürzt nennt, zu den ganz Großen, was Liegeplätze und Marinadichte angeht. (Der Begriff „Friaul“ ist ein ganz eigener Mythos, denn das Friaul ist ein Teil der Region, die das heutige Friaul-Julisch Venetien bildet. Aber das ist eine andere Geschichte…) Kehren wir daher zur Ausgangsfrage zurück. Allein in dem im Netzwerk unabhängiger Marinas zusammenarbeitenden 20 Marinas von FVG Marinas sind rund 7.000 Bootsliegeplätze versammelt.
Die Bootsdichte der gerade mal etwa 130 Kilometer langen Küstenlinie sucht nicht nur in Italien ihresgleichen. Rechnet man weitere kleinere Marinas, den offiziellen italienischen Segelclub Lega Navale und Anlegestellen an Stadt- und Dorfkais sowie in den Flüssen dazu, tummeln sich in Friaul-Julisch Venetien Boote aller Größen in großen Mengen – von der kleinsten Optimist-Nussschale bis zum überkomplett ausgestatteten Motorboot samt Tender oder „Gommone“, wie die Italiener ihre gelegentlich dreist motorisierten Schlauchboote nennen. Ganz zu schweigen vom traditionellen Fischerkahn, mit dem in den flachen Gewässern nach Muscheln und Schalentieren gefischt wird.
Klar, dass nicht alle diese Wassergefährte Spaß- oder gar Segelboote sind. Verständlich aber auch, dass diese Region allein schon durch die jährlich stattfindende größte Segelregatta der Welt, die Barcolana mit über 2.300 teilnehmenden Seglern nicht nur Guinness-Weltrekorde geliefert hat, sondern damit ein Segel-Eldorado ist, dass Törnmöglichkeiten eröffnet, von denen wir drei vorstellen möchten.
Ein paar Tipps gefällig für den nächsten Törn?
Wie wäre es also, den Bug mit einem Ausflug einmal entlang des Halbrunds der nördlichen Adria zu richten und die Orte zu entdecken, in denen längst nicht nur Römer, Venezianer und Österreicher Spuren hinterlassen haben. Sie sind in den Gesichtern der Menschen, ihrem Naturell und in der Kulinarik wiederzufinden und machen dieses Land so reizvoll.
Törnvorschlag 1: Römertörn nach Aquileia
Am lebendigsten ist die römische Antike neben Rom vielleicht in Aquileia. Gerade noch etwas mehr als 3.000 Einwohner zählt heute der Ort und war doch einst einer der Hauptknotenpunkte des römischen Imperiums mit zehnmal so vielen Bewohnern. Vorn hier aus wurden Kriege gegen keltische Völker und bis nach Dalmatien geführt. Die römische Kolonie war Bollwerk, Durchgangsstraße über die Alpen zur Donau in die späteren Gebiete Kärnten und Steiermark oder bis weit in den Osten, den Balkan bis nach Griechenland. Handelsort auch für die Schiffe, die über den Fluss Natissa und den Kanal hier einen sicheren Hafen fanden, der sich zum wichtigsten Handelshafen der Adria entwickelte.
Es sind oft die kleinen Dinge, die Geschichte lebendig werden lassen. Luxusgüter wie Schmuck, Glas und vor allem für uns heute überraschende Dinge des täglichen Gebrauchs wie etwa Pinzetten, Schminkutensilien, aber auch zahllose Marmorstatuen, Grabplatten und Waffen versetzen die Besucher im Römischen Museum noch heute zurück ins alte Rom.
Draußen spaziert man derweil an den alten Hafenkais und dem Forum entlang zur romanischen Kathedrale. Sie besitzt ehrfurchtgebietende Bodenmosaike, die bis ins 3. Jahrhundert reichen. Christliche Motive, aber vor allem die aus den winzigen Mosaiksteinen meisterhaft geformten Gesichter längst vergessener Honoratioren, Edlen und ihrer Frauen blicken die Besucher eindringlich über die Jahrtausende hinweg an. Aquileia? Ein unvergesslicher Ort, den man einmal im Leben besucht haben sollte.
Wo anlegen?
Um Aquileia einen Besuch abzustatten, segelt man am besten bis Grado und macht das Boot in einer der Marinas fest:
Porto San Vito: Direkt an der Einfahrt nach Grado gelegen, läuft man in die Marina mit einem Tiefgang von maximal 1,70 m ein. Vorher sicherheitshalber den Hafenmeister kontaktieren, denn der Kanal in der Einfahrt zur Marina tendiert dazu, im jahreszeitlichen Verlauf und bei Ebbe Schwankungen zu unterliegen. Belohnt wird man durch das hervorragende Marinarestaurant und die Möglichkeit, bei einem Spaziergang über die Marina den Badestrand zu nutzen. Bis Aquileia sind es von Grado aus nur wenige Kilometer – gerade genug, um mit dem Leihrad ein paar Kalorien abzustrampeln und auch Grado näher kennenzulernen.
Darsena San Marco: Klein, fein und ruhig präsentiert sich die familiengeführte Darsena San Marco in Grado, wenn man dem Zufahrtskanal nach Grado folgt und vor der Brücke nach Backbord auf die Marina zuhält. Vom Boot runter, rein in die Bar und dann den Sonnenuntergang auf der Terrasse bei einer ofenknusprigen Pizza genießen, ist einer der schönsten Zeitvertreibe direkt vor den Toren von Grado. Hier finden Boote zwischen 5-20 m Platz. Besonders hervorzuheben: die Katamaranplätze.
Ruhiger geht es auch in der Marina Primero etwas außerhalb von Grado zu. Dafür lockt der Strand und der in der Nähe der Marina liegende Golfplatz. Wassertiefe in der Einfahrt je nach Tide vorab beim Marinamanager erfragen, denn die Adria ist ein Tidenrevier mit rund 1 m Unterschied zwischen Ebbe und Flug.
Mit etwas Glück ergattert man aber auch ein Plätzchen im urigen alten Fischerhafen Mandracchio direkt in Grado. Kein Wasser, kein Strom, dafür italienisches Streetlife pur.
In die Marina di Aquileia laufen vor allem Boote mit geringem Tiefgang ein. Dafür genießt man das Privileg, im römischen Fahrwasser zu liegen. Empfehlenswert für alle, die Aquileia intensiver erkunden möchten und in den Sommermonaten die kulturellen Highlights wie Open-Air-Veranstaltungen, Konzerte oder Weinproben in den „Vigneti Aperti“ der umliegenden Winzer zu genießen.
Törnvorschlag 2: Kulinarischer Törn
Die italienische Küche gehört zu den vielfältigsten der Welt. Wir Nordeuropäer haben mittlerweile so sehr ihre unzähligen Pastavariationen in unsere eigene Küche eingemeindet, dass man fast vergessen könnte, dass es offenbar die Chinesen waren, die Nudeln vor mehr als 4.000 Jahren in der Küche populär machten. Wie dem auch sei, ein Blick auf die Speisekarte so manches Marinalokals lässt selbst eingefleischte Smutjes Pött und Pannen an Bord vergessen und zum Genussmenschen mutieren. Im folgenden also drei kulinarische Törnvorschläge für Friaul-Julisch Venetien – erreichbar in kurzen Schlägen, die eine nachmittägliche Siesta nicht ausschließen.
Am besten beginnen wir unsere kulinarische Reise in Triest, dem altehrwürdigen und quicklebendigen Großstadtzentrum. Direkt gegenüber der nachts in den blauen Lichtern der Glassteine erstrahlenden Piazza Unità d’Italia liegt die Marina San Giusto mit Platz für 219 kleine und nicht ganz so kleine Schiffe bis 120 m Länge. Ein Ort, der Aufbruch ist und Ankommen – genau wie Triest selbst, das mit seinen Studentenkneipen, Kaffeehäusern austro-ungarischer Prägung, den elegant gekleideten alten Damen mit ihren kleinen Hunden, den lebhaften Buchhandlungen und nicht zuletzt der no-nonsense-Kulisse aus Großschifffahrtsterminal und Ladekränen Spannung und Ruhe gleichzeitig verheißt.
All dies betrachtet man am schönsten vom Dach des Marinarestaurants PIER. Oktopussalat an viola Kartoffeljus oder auch ein einfach köstliches Fritto Misto zum Glas Prosecco lassen vergessen, dass Triest im Winter zu den windigsten Orten Italiens gehört, wenn die Bora so stark pfeift, dass die Triestiner sich an ihren verschnörkelten Lampenmasten festhalten müssen.
Folgt man dem Küstenverlauf entlang des Karst und vorbei am champagnerfarbenen Castello di Miramare erreicht man neben der kleinen und edlen Marina Portopiccolo mit ihren zahlreichen Lokalen, Bars und Unterhaltungsangeboten Monfalcone und die Marina Lepanto Resort. Sowohl in Portopiccolo als auch in der Marina Lepanto liegt man sicher und mit sorgenfreiem Tiefgang für übliche Bootsgrößen. Vom Marinarestaurant La Rosa dei Venti blickt man auf die Piazza der Marina und genießt Fischvariationen vom Feinsten.
Weiter die Küste entlang und um die Ecke des 9 Kilometer langen Sandstrands von Lignano Sabbiadoro liegt 400 m von der der Einfahrt in den Fluss Tagliamento die letzte Marina Friaul-Julisch Venetiens. Über den Fluss wartet das Veneto mit seinen Verheißungen, doch Marina Uno Resort schafft es immer wieder mit ihrer Restaurant-Bar Al Cason, dass man den Aperitif ein ganz klein wenig länger genießen möchte, während man den Wattvögeln dabei zuschaut, wie sie am pittoresk im Sand liegenden alten Fischerboot nach eigenem Futter suchen. Bei Starkwind und Wellengang ist die Einfahrt in den Tagliamento mit Vorsicht zu genießen, da die Zufahrt für Boote mit größerem Tiefgang als 1,70 m ungemütlich bis gefährlich werden kann. Am besten zuvor das Marinamanagement kontaktieren. Belohnt wird man mit hervorragender lokaler Küche und dem Summen der Zikaden in den alten Pinien.
Törnvorschlag 3: Sportlicher Törn
Dass die Barcolana die größte Segelregatta der Welt ist, wurde bereits gesagt. Was es aber bedeutet, wenn sich rund 2.300 Boote bei allen, wirklich allen, Windverhältnissen in einer Seemeilen langen Line zwischen dem ausrichtenden Club Barcola und dem Castello di Miramare versammeln, das muss man einfach einmal selbst erlebt haben. Im letzten Jahr mussten die Retter über 40-mal ausrücken. Doch die Barcolana ist einfach ein Lebensgefühl – und wenn kein Wind weht, wird auf den Booten schon mal ein Schinken aufgehängt und Wein an die Crew verteilt. Kein Witz! Das nachfolgende Bild ist Zeugnis für dieses Volksfest des Segelns, dessen Sieg in den Spitzenpositionen regelmäßig untereinander ausgetragen wird.
Aber man segelt bei der Barcolana nicht unbedingt, um zu gewinnen, sondern vielmehr, um mitzusegeln. Wer dies will, dem sei die 54. Barcolana 2022 empfohlen, die wieder in der zweiten Oktoberwoche ausgetragen wird. Hier geht’s zur Webseite der Barcolana, auf der in wenigen Wochen die Details für dieses Jahr angekündigt werden.
Wo anlegen?
Am besten findet man bei rechtzeitiger Buchung einen Platz in den Yachthäfen von Porto San Rocco oder auch den Marinas von Grado. Mehr Informationen über Marinas und Liegemöglichkeiten im Friaul unter: